Donnerstag, 21. November

Ratgeber

Herzmuskelentzündung: Das sollten Sie darüber wissen

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Wer krank ist und sich nicht wohl fühlt, der sollte sich schonen und vor allem keine anstrengenden Tätigkeiten ausüben. Vor allem wenn ein Virus der Grund für die Befindlichkeitsstörung ist. Denn sonst droht die Gefahr einer Herzmuskelentzündung, Fachbegriff Myokarditis. Im Gespräch mit MEIN TAG erläutert Prof. Dr. Brenda Gerull vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz am Universitätsklinikum Würzburg, was Sie tun können, um eine Herzmuskelentzündung zu vermeiden und wie Sie sich am besten verhalten, wenn es Sie doch erwischt hat.

Frau Professorin Gerull, warum ist eine Herzmuskelentzündung gefährlich? 

Prof. Dr. Brenda Gerull: Eine Myokarditis kann zu schweren Herzrhythmusstörungen sowie einer akuten beziehungsweise chronischen Herzinsuffizienz führen. Obwohl prinzipiell alle Altersgruppen erkranken können, wird sie besonders häufig bei jungen Menschen festgestellt. Bei Kindern und jungen Erwachsenen, die an einer chronischen Herzmuskelerkrankung leiden, hat man festgestellt, dass bis zu 40 Prozent von ihnen vorher eine Herzmuskelentzündung hatten. Ähnlich hoch ist die Zahl in Bezug auf die Ursache eines plötzlichen Herztodes in dieser Altersgruppe, wobei andere Studien auch deutlich geringere Zahlen postulieren. 

Trotzdem muss man festhalten, dass diese schweren Verläufe selten sind und die allermeisten Herzmuskelentzündungen ausheilen. Daten aus Studien belegen, dass sich circa 70 Prozent der Patienten mit einer akuten Myokarditis, die durch eine Myokardbiopsie festgestellt wurden, nach der Akutphase erholen, meistens auch ohne Folgen. 

Wie kommt es zu einer Herzmuskelentzündung? 

Die Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung des Herzens, die vor allem durch Viren, zum Beispiel Grippeviren, ausgelöst wird. Seltener entsteht sie durch andere infektiöse Erreger sowie toxische Substanzen, etwa bestimmte Medikamente, oder – bei Autoimmunerkrankungen – auch durch das Immunsystem selbst beziehungsweise durch eine überschießende Immunantwort bei Infektionen. 

Die häufigste Ursache stellen, wie gesagt, Viren dar, wobei hier verschiedene Mechanismen unterschieden werden. Beispielsweise gibt es Viren, die direkt den Herzmuskel beziehungsweise die Gefäße im Herzmuskel angreifen. Andere bleiben im Organismus bestehen und lösen immer wieder Entzündungen über das Immunsystem aus. Angenommen wird ferner, dass Viren der Corona-Familie über Eintrittspforten wie die sogenannten ACE2-Rezeptoren potenziell direkte Herzschäden verursachen können.

Apropos: Wie groß ist das Risiko, aufgrund einer COVID-19-Erkrankung oder einer COVID-19-Impfung an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken? 

Anfängliche Berichte über schwere Herzschäden durch die SARS-CoV-2-Erkrankung haben sich nicht bestätigt. Sehr schwere Fälle, die das Leben gefährden, sind extrem selten, unspezifische entzündliche Veränderungen sind jedoch häufig. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. In einer Studie an Sportlern wurde festgestellt, dass 0,6 bis drei Prozent vor Wiederaufnahme des Trainings Kriterien für eine klinische Myokarditis hatten. 

Auch nach einer Corona-Impfung ist eine Myokarditis sehr selten. Betroffen sind vor allem junge männliche Personen im Alter von zwölf bis 17 Jahren, die bevorzugt nach der zweiten Impfdosis leicht erkranken. Die meisten Patienten können nach wenigen Tagen die Klinik verlassen. Prinzipiell sollte die Myokarditis nach einer Impfung genau so betrachtet werden wie bei einer Infektion mit SARS-CoV-2. 

Woran erkennt man eine Herzmuskelentzündung? 

Klinisch äußert sich eine Myokarditis durch kardiale Symptome wie Brustschmerzen, Kurzatmigkeit, Belastungsintoleranz, Herzklopfen oder Synkopen, also umgangssprachlich einer Ohnmacht, oder eines Kollaps. Weiterhin ist ein Anstieg kardialer Enzyme, Veränderungen im EKG, gegebenenfalls im Langzeit-EKG bei Rhythmusstörungen sowie Veränderungen in der kardialen Bildgebung wie der Echokardiografie und kardiale Magnetresonanztomografie zu erwarten. Für eine genauere Diagnose und die Ursachenfindung sind weitere Bluttests und eine Herzmuskelbiopsie erforderlich. Letzteres wird jedoch selten durchgeführt. 

Wie wird eine Herzmuskelentzündung behandelt? 

Patienten mit nachgewiesener leichter oder mittelschwerer Myokarditis wird zunächst ein Krankenhausaufenthalt empfohlen, um eine Symptomverschlechterung rechtzeitig zu erkennen, während weitere Untersuchungen beziehungsweise die Ursachensuche erfolgen, und dann eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden kann. 

Patienten mit schwerer Myokarditis sollten idealerweise in größeren Zentren behandelt werden, die Erfahrungen in der Behandlung einer schweren Herzinsuffizienz beziehungsweise von Herzrhythmusstörungen haben sowie auch die Möglichkeiten einer immunsuppressiven oder immunmodulativen Therapie abwägen können. Bei entzündlichen Schmerzen beziehungsweise bei Verdacht auf eine Perikardbeteiligung, also einer Beteiligung des Herzbeutels, kommen nichtsteroidalen Antirheumatika oder Colchicin zum Einsatz. 

Und was kann man tun, um die Myokarditis zu vermeiden? Kein Sport? 

Grundsätzlich sollte man bei Erkältungssymptomen und grippalen Infekten auf seinen Körper hören und sich schonen beziehungsweise in diesen Phasen vor allem auf Sport und starke körperliche Belastungen auch im Arbeitsumfeld verzichten.

Was die Corona-Impfung betrifft, so raten viele Experten, in den ersten Tagen nach der Impfung auf Sport und starke körperliche Belastungen zu verzichten. Wichtig ist, wie gesagt, auf seinen Körper zu hören, erkältungsähnliche Symptome ernst zu nehmen und erst dann wieder das gewohnte Pensum aufzunehmen, wenn man sich gesund und fit fühlt. 

Nach einer überstandenen Herzmuskelentzündung: Wann kann man sich wieder vollständig belasten, etwa beim Sport? 

Das hängt sicher auch von der Schwere der Erkrankung ab. Wichtig ist, dass der Patient nach einer überstandenen Erkrankung mit dem Kardiologen einen entsprechenden Plan zum Wiedereinstieg festlegt. Sportler, bei denen eine klinische Myokarditis diagnostiziert und behandelt wurde, sollten im Regelfall drei bis sechs Monate lang auf Sport verzichten.

Frau Professorin Gerull, vielen Dank für das Interview.

Prof. Dr. med. Brenda Gerull ist Leiterin des Departments Kardiovaskuläre Genetik am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz des Universitätsklinikums Würzburg. www.ukw.de/dzhi/genetik

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