Freitag, 22. November

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Autophagie: Wie sich unsere Zellen reinigen

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Fasten – ein wiederentdeckter Brauch, der gerade irgendwie Trend zu sein scheint: Kaum ein Artikel kommt dann aktuell drumherum, in dem Zusammenhang das Thema Autophagie zu erwähnen. Was das ist, wodurch sie stimuliert wird und warum es 2016 den Friedensnobelpreis gab, erfahren Sie hier.

Was ist Autophagie? Wofür brauchen wir sie?

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Unsere Zellen sind ständig mit Stoffwechselvorgängen beschäftigt – und es entsteht Abfall. Im Grunde ist Autophagie der Selbstreinigungsprozess unserer Zellen, indem Zellmüll wie falsch gefaltetes Eiweiß, ausgediente Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, Einweißansammlungen und schadhafte Proteine, Lipide und Membranbestandtteile recycelt werden. Die Zellen fressen sich sozusagen selbst von innen auf. Dadurch bekommen sie Energie und Bausteine, um neue Teile zu schaffen, gestresste Zellen können sich regenerieren, aber auch Bakterien und Viren werden entsorgt. So wird das Überleben der einzelnen Zelle gesichert und gleichzeitig werden geschädigte Zellen eliminiert, damit unser multizellulärer Organismus überlebt. Der Mechanismus hält also alte und neue Zellkomponenten im Gleichgewicht – die zelluläre Homöostase. Das Ziel: Unseren Körper gesund und leistungsfähig halten.

Wie funktioniert Autophagie?

An der Autophagie sind viele Akteure beteiligt. Autophagie leitet sich übrigens vom Griechischen ab und bedeutet so viel wie „sich selbst essen“. Die wichtigsten Helfer für das Selbstreinigungsprogramm:

  • Phagophor: Er ist mit einem Müllsack vergleichbar. Proteine und Lipide bilden dieses Beutelchen mit einer Doppel-Membran
  • Autophagosom: Es verkörpert sozusagen den geschlossenen Müllbeutel, der den Abfall aus dem Zellplasma einschließt
  • Lysosom: Es ist der Transporteur, der Enzyme zum Abbau heranbringt
  • Autophagolysosom: Dazu verschmelzen das Autophagosom und das Lysosom, sodass der Zellschrott letztlich durch saure Hydrolasen zerlegt wird. Die daraus entstandenen chemischen Bausteine werden ins Zytoplasma abgegeben und dort wiederverwertet

Damit der Prozess der Erneuerung und Säuberung funktioniert, müssen die dazu notwendigen Akteure in der Zelle perfekt miteinander kommunizieren. Ein internationales Team von Wissenschaftlern konnte jetzt erstmals beschreiben, wie zwei Beteiligte an der Autophagie das bewerkstelligen. Die beiden Proteine heißen p62 und FIP200 und ihre Verbindung war bislang unbekannt. FIP 200 hilft der Zelle dabei, das Autophagosom zu bilden. Das Protein ist wie eine Kralle geformt. „Ähnlich wie ein Arbeiter einen Müllsack greifen würde, interagiert diese ‚Kralle‘ mit p62 und dem angesammelten Zellmaterial“, beschreiben die Forscher. P62 erkenne nicht nur den zellulären Müll und bereite ihn vor, sondern setze durch die Interaktion mit FIP200 die Maschinerie der Autophagie in Gang. Dafür vereinen sich Teile von beiden Proteinen wiederum.

Wodurch wird Autophagie ausgelöst?

Die Autophagie ist auf einem basalen Niveau kontinuierlich aktiv. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sie sich erst nach elf bis zwölf Stunden Fastenzeit hochfährt. Frank Madeo, Molekularbiologe am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz, sagt dazu in einem stern-Interview: „Nach 15 bis 20 Stunden läuft der Vorgang der Autophagie auf vollen Touren, das haben wir gemessen. Ob die Zellen dann schon vollständig aufgeräumt sind, ist eine andere Frage. Kann gut sein, dass man dafür länger fasten muss. Wir wissen es nicht.“

  • Andere Faktoren, die die Autophagie stimulieren sollen:
    Natürliche Lebensmittel mit Spermidin, das zu den Polyaminen gehört. Dabei handelt es sich um

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    kleine organische Verbindungen, die an wesentlichen Zellfunktionen wie Zellteilung und Zellwachstum beteiligt sind. Die Moleküle werden verstärkt gebraucht, wo sich Gewebe entwickelt, wächst und regeneriert. Weizenkeime, gereifter Käse, Nüsse, Äpfel und Champignons gelten als gute Quellen für Spermidin.

  • DMC, konkret 4,4’-Dimethoxychalcone, ein Flavonoid. Nicht jedem Menschen ist es möglich zu fasten beziehungsweise es tut nicht jedem gut. Deshalb haben Wissenschaftler vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz jetzt 200 Stoffe auf die Fähigkeit geprüft, das zelluläre Altern zu verlangsamen. DMC hat sich dabei, so die Forscher, als die Top-Substanz für die Zellreinigung herausgestellt. Gefunden wurde DMC in Ashitaba, eine Heilpflanze, die in Japan ihre Wurzeln hat und in Europa noch recht unbekannt ist. Ihr wissenschaftlicher Name lautet Angelica Keiskei und ist eine blühende Pflanzenart aus der Karottenfamilie. Warum sie die Autophagie anregt, ist allerdings noch nicht geklärt.
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  • Und die Autophagie wird in Extremsituationen aktiviert, zum Beispiel bei schwerwiegenden Zellschädigungen.

„Es ist daher leicht zu verstehen, dass eine fehlregulierte oder verminderte autophagische Aktivität, wie wir sie vermutlich im Alter vorfinden, zwangsläufig in ein zelluläres Desaster führen muss, das sich in einer ganzen Bandbreite von Krankheiten manifestiert“, sagt Prof. Dr. rer. nat. Tassula Proikas-Cezanne vom Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen gegenüber der Ärztezeitung.

Was hat Autophagie mit Krebs, Parkinson und Alzheimer zu tun?

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Gerade in der Krebsforschung spielt Autophagie eine Rolle. Die Ausgangslage ist zwiegespalten. Bei der Entstehung von Tumoren scheint sich ein Autophagie-Defizit negativ auszuwirken. In einem fortgeschrittenen Stadium dagegen scheint es nach aktuellem Forschungsstand so zu sein, dass eine funktionierende Zellreinigung die Überlebenschancen einer Krebszelle steigert.

Für das Gehirn ist die Autophagie wichtig, um gesund zu bleiben. Denn können sich die Nervenzellen nicht von verklumptem Eiweiß oder kaputten Kraftwerken befreien, verkümmern sie. Bei Untersuchungen mit Mäusen zeigte sich, dass beispielsweise ein gestörter Autophagieprozess unter anderem zu mehr typischen Proteinklumpen führte. Wurde der Selbstreinigungsprozess aktiviert, verschwanden die Ablagerungen.

Bei Parkinson scheint es zum Beispiel so zu sein, dass bestimmte fehlende Proteine den Recycling-Prozess aus dem Gleichgewicht bringen – und der Entstehung der Krankheit damit Vorschub leisten.

Ist ein Mehr an Autophagie gut?

Daran wird deutlich: Autophagie ist nicht nur hochkomplex, sondern es gibt, wie die Krebsforschung zeigt, keine pauschale Antwort darauf, ob ein Mehr grundsätzlich gut ist. Für das Nobelpreiskomitee stand zumindest fest, dass genetische Veränderungen bei der Autophagie Krankheiten verursachen können. Für die Mitglieder hat der Japaner Yoshinori Ohsumi das Verständnis dieses lebenswichtigen Prozesses sehr stark verändert – und deshalb 2016 den Medizin-Nobelpreis erhalten. Viele Experten sind der Meinung, dass ein besseres Verständnis für die Autophagie bei vielen Krankheiten neue Wege der Therapie ermöglichen wird.

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