Heute schon gestreichelt? Wer jetzt spontan an den kläffenden Vierbeiner oder den schnurrenden Stubentiger denkt, ist noch nicht so ganz auf der richtigen Fährte – es geht um uns Zweibeiner. Forscher haben herausgefunden, dass Streicheln wichtig ist für das menschliche Wohlbefinden, dass sanfte Berührungen eine schöne Illusion sein und sogar Schmerzen von Babys gelindert werden können.
Drei Berührungen pro Minute in Puerto Rico
Wie kuschelt die Welt? Der schon 1974 verstorbene kanadische Psychologe Sidney M. Jourard hat in seinen Beobachtungen deutliche Unterschiede festgestellt. Er beobachtete dafür jeweils zwei Personen in Cafés an unterschiedlichen Orten der Welt: In San Juan in Puerto Rico verzeichnete der Wissenschaftler sage und schreibe drei Berührungen pro Minute, in Paris waren es immer noch 110 Berührungen in der Stunde. Gerade einmal zwei Berührungen wurden Gainsville im US-amerikanischen Bundesstaat Florida gezählt und gänzlich Fehlanzeige herrschte in London. Deutsche Zahlen gibt es nicht, jedoch dürften diese kaum auch nur ansatzweise an südamerikanische Spitzenwerte heranreichen. Jourard kam schon früh zu der Erkenntnis, dass öffentliche Körperkontakte und insbesondere die Anzahl der Berührungen stark vom kulturellen Kontext abhängt.
Selbst streicheln bringt wenig
Wie gut uns eine Berührung tut, hängt im Übrigen entscheidend davon ab, wie uns diese zuteil wird: Sich selbst erfolgreich zu kitzeln oder zu umarmen, hat längst nicht den Effekt wie dieselbe Aktion durch einen anderen Menschen. Der Grund liegt im Gehirn, das Eigenberührungen ausfiltert und die Empfindung dämpft. „Wir brauchen einen anderen Menschen, um durch die Berührung uns selbst zu spüren“, sagt die deutsche Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme. Lediglich Schizophrenie-Patienten seien in der Regel in der Lage, sich selbst zu kitzeln.
„Kuschelhormon“ bringt gute Gefühle
Die meisten Menschen empfinden bei Körperkontakt viel Gutes: Entspannung und Trost spenden Berührungen ebenso, wie sie den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken. Bei einer Umarmung gelangt das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin in den Blutkreislauf, was bei den meisten Menschen ein Gefühl erzeugt, sich angenommen und geborgen zu fühlen. Die Hirnforscherin Rebecca Böhme wertet das offensichtliche Umarmungs-Defizit trotz erwiesenen Wellness-Effekts als äußern Ausdruck, „dass wir uns innerlich immer mehr voneinander distanzieren: Eine These ist, dass wir unsere emotionale Interaktion immer mehr in körperlos-virtuelle Sphären verlagern“. Grund könnte sein, dass viele Menschen aus Angst vor Ablehnung und Verletzung schlicht das Risiko reduzierten und sich deshalb nicht direkt mit ihren Mitmenschen auseinandersetzten.
Haustiere, Wellness und Kuschelpartys
Die Autorin Elisabeth von Thadden hat in ihrem im Herbst vergangenen Jahres erschienenen Buch „Die berührungslose Gesellschaft“ festghalten, dass immer mehr Menschen ihren human unbefriedigt bleibenden Berührungsbedarf zunehmend über Haustiere, Wellnessmassagen oder sogenannte Kuschelpartys stillen. Bei letzteren kuscheln einander unbekannte Teilnehmende in bequemer Kleidung auf ausgelegten Matten nicht selten stundenlang miteinander, ohne dass dabei sexuelle Bedürfnisse eine Rolle spielen. Diese manchen hierzulande sicherlich bizarr erscheinende Kontaktform kam aus New York inzwischen auch in unseren Breiten an und erfreut sich zunehmenden Zuspruchs.
Auf das Tempo kommt es an
Gesundheitspsychologen des Londoner University College haben herausgefunden, dass sich die Haut anderer Menschen für uns weicher anfühlt: Bedingung für diesen Wahrnehmungseffekt ist neben der Freiwilligkeit auch die Geschwindigkeit – zu schnelle Bewegungen werden sowohl beim Berührten als auch beim Berührenden als stressig empfunden. Die perfekte Geschwindigkeit für fremde Fingerbewegungen auf der eigenen Haut ermittelten die britischen Wissenschaftler mit einem bis zehn Zentimetern Haut pro Sekunde. Dabei wurden bei den Versuchen der Wissenschaftler Berührungen besonders dann als positiv empfinden, wenn das Motiv eine gute Absicht war: Hirn-Areale, die das Empathievermögen regeln, sorgen für diese Sinnestäuschung, die alles noch mit einem besonderen Bonus krönt, dass die Haut des Gegenübers sanfter sei als die eigene.
Streicheln lindert Baby-Schmerz
Bei Babys haben Forscher der britischen Universität Oxford in Hirnuntersuchungen festgestellt, dass rhythmische Berührungen durchaus medizinisches Potential haben – aber auch hier entscheidet die richtige Geschwindigkeit. Das Forscherteam um Kinderärztin Rebeccah Slater ermittelte, dass rhythmisches Streicheln nicht nur beruhigend, sondern auch schmerzlindernd wirkt. In der Studie, an der 60 mehrere Tage alte Neugeborene teilnahmen, wurde mit einem Fersenstich medizinisch notwendiges Blut abgenommen: Die Hirnströme wurden mittels EEG gemessen. Zwar zeigten Kinder beider Gruppen schmerzverzerrte Grimassen: Jedoch hielt diese Mimik bei Kindern, die oberhalb der Einstichstelle sanft mit einer weichen Bürste gestreichelt wurden, nur halb so lange an wie bei Kindern der Kontrollgruppe. Wurden Kinder zu schnell gestreichelt – etwa mit 30 Zentimetern pro Sekunde – zeigte sich der positive Effekt nicht.
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