Der Mittagsschlaf hat bei vielen Menschen ein schlechtes Image. Dabei ist das Nickerchen zur Mittagszeit nicht nur gesund, sondern auch leistungsfördernd. Kaum ein Spitzensportler verzichtet daher auf den Mittagsschlaf. Im Interview mit MEIN TAG, erläutert Schlafmediziner Dr. Michael Feld, warum es einem gut tut, zur Mittagszeit die Beine hochzulegen und die Augen zu schließen.
Herr Dr. Feld, wir telefonieren jetzt gerade zur Mittagszeit miteinander. Sollten wir stattdessen nicht lieber ein kurzes Nickerchen halten?
Das ist eine berechtigte Frage. Tatsächlich hat sich in großen Studien gezeigt, dass so ein Power-Nap am Mittag bei vielen Leuten gesundheitsförderlich ist.
Wenn er so gesund ist: Warum halten dann so wenige Menschen einen Mittagsschlaf?
Nun, die meisten haben die Zeit nicht oder können sie sich nicht nehmen. Auch wird der Mittagsschlaf oft noch ein bisschen belächelt. Da gilt man dann schnell als Schlafmütze.
Warum tut der Mittagsschlaf dem Körper gut?
Große Studien, die man in Griechenland durchgeführt und bei denen man Menschen über mehrere Jahre beobachtet hat, haben unter anderem gezeigt, dass auf diese Weise die Herzinfarktraten sinken. Zudem fördert ein Nickerchen am Mittag unsere Leistungsfähigkeit für die Aufgaben am Nachmittag.
Wir wissen, dass der Körper um die Mittagszeit ein zweites biologisches Tief hat. Dieses Tief ist nicht so stark wie nachts, wenn der Körper sein absolutes Tief hat, ist aber deutlich spürbar. Der Blutzuckerspiegel sinkt, die Körpertemperatur sinkt, wir sind müde und hungrig. Deswegen ist die beste Reihenfolge: Ich esse mittags etwas und lege dann 20 Minuten die Füße hoch.
Wie lange sollte der Mittagsschlaf dauern?
Der Mittagsschlaf sollte natürlich nicht zu lang sein. 15 bis 30 Minuten sind optimal. Länger eher nicht, weil dann die Gefahr besteht, dass man richtig tief einschläft. Und wenn man daraus wieder aufwacht, ist man tatsächlich deutlich weniger leistungsfähig. Das, was man sich nachts wünscht, nämlich, dass man möglichst schnell in den Tiefschlaf rutscht, will man mittags genau nicht. Das wäre kontraproduktiv.
Manche Ihrer Kollegen empfehlen, vor dem Mittagsschlaf eine Tasse Kaffee zu trinken. Was halten Sie davon?
Es gibt tatsächlich Kollegen, die empfehlen, vor dem Power-Nap einen Kaffee zu trinken. Ihr Argument lautet, dass die Wirkung des Coffeins nach circa 20 Minuten einsetze und man dann wieder von selbst wach werde. Die Erfahrung vieler Patienten zeigt allerdings, dass das Koffein doch schneller ankommt als man denkt und nicht erst nach 20 oder 30 Minuten. Und dann zerstört man sich dem Power-Nap eher. Ich empfehle daher, den Kaffee nach dem Mittagsschlaf zu trinken.
Führt der Mittagsschlaf nicht dazu, dass man nachts schlechter schläft?
Das ist auch eine gute Frage, denn das wird immer wieder behauptet. Wenn wir jemandem vom Mittagsschlaf abraten, dann nur, wenn er oder sie nachts starke Schlafstörungen hat, nicht gut einschlafen kann oder ständig wach wird. Dann sollte man tatsächlich versuchen, auf den Mittagsschlaf zu verzichten, weil man sich sonst den Schlafdruck wegschläft und abends noch größere Schwierigkeiten hat. Aber alle, die damit kein Problem haben, sollten und dürfen ruhig ein Mittagsschläfchen halten.
Um welche Uhrzeit sollte man einen Mittagsschlaf halten?
Das ist individuell unterschiedlich und hängt davon ab, wann genau man seinen persönlichen Tiefpunkt hat. Im Schnitt liegt dieser zwischen 13:30 und 15 Uhr.
Bett oder Sofa, Abdunkeln oder Tageslicht?
Eher Sofa und nicht abdunkeln. Die Couch oder auch der bequeme Sessel verhindern letztendlich, dass man zu lange liegen bleibt. Und statt das Zimmer komplett abzudunkeln, empfehle ich, sich etwas auf die Augen zu legen, zum Beispiel eine Schlafbrille.
Was, wenn man keinen Mittagsschlaf halten kann, zum Beispiel weil man im Büro ist?
Wenn es gar nicht geht, dann geht es nicht. Man stirbt ja nicht dran. Aber ein Power-Nap kann der Leistung schon förderlich sein. Wenn man keine Möglichkeit für einen Mittagsschlaf hat, sollte man zumindest auf dem Bürostuhl versuchen, etwas Muskelentspannung zu machen – und wenn es nur zwei Minuten sind. Dass man kurz die Augen schließt, die Muskelgruppen nacheinander anspannt und lockert und Pausen dieser Art einbaut.
Es gibt ja auch immer mehr Unternehmen, die versuchen, für ihre Mitarbeiter Möglichkeiten für Entspannung zu schaffen, etwa in Form von ausgewiesenen Ruheräumen. Aber wie gesagt: Der Mittagsschlaf hat leider immer noch ein schlechtes Image. Was in der betrieblichen Praxis oft dazu führt, dass die Ruheräume ungenutzt bleiben, weil alle Angst haben, dass sie schief angeschaut werden, wenn sie sich kurz hinlegen. Was schade ist.
Herr Dr. Feld, vielen Dank für dieses informative Gespräch.
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