Mal ein Eis zu viel naschen, den Tisch nicht gleich abdecken oder bis mittags im Schlafanzug bleiben … Perfekt wären wir alle gern, sind es aber selten. Und das ist völlig menschlich. Für Kinder gilt das genauso. „Wir müssen mit den Kindern nicht härter sein als mit uns selbst“, sagt Erziehungsexpertin Nicola Schmidt. Kinder haben viele Gründe, warum sie manchmal etwas ganz anderes brauchen, tun oder fordern als sonst. Dann können Ausnahmen von Regeln der Familie guttun. Erfahren Sie jetzt mehr dazu.
Wichtige Ausnahmen
Hat ein Kind Angst, braucht es besonders viel Nähe und Sicherheit. Und schleicht sich vielleicht abends zu den Eltern aufs Sofa, anstatt wie sonst in seinem Bettchen zu bleiben. Auch ein Wachstumsschub oder ein anstrengender Tag im Kindergarten kann der Grund sein, warum die Energie für ein eigentlich selbstverständliches Benehmen fehlt. Wer plötzlich einer fremden Person nicht mehr „Guten Tag“ sagen kann, der ist vielleicht schüchtern und kann das erst recht nicht vor den Ohren anderer zugeben.
In der Erziehung: Bedürfnisse des Kindes annehmen
Wichtig: Nicht immer können Kinder ihre Sorgen oder Bedürfnisse klar ausdrücken. So wird vielleicht über Bauchweh geklagt, obwohl der eigentliche Grund ein Konflikt im Kindergarten ist. Nehmen Sie Bedürfnisse Ihres Kindes auch einfach mal hin, obwohl Ihnen der Grund (noch) nicht ganz schlüssig erscheint.
Auch aus Spaß und Spontaneität dürfen Ausnahmen gemacht werden. Lockt vielleicht der erste warme Sommertag, können Hausaufgaben mal zugunsten des Freibads verschoben werden.
Fünfe auch mal gerade sein lassen
Nicola Schmidt beschäftigt sich seit 15 Jahren mit „faktenbasierter Erziehung“ und erklärt Eltern komplexe Forschungsergebnisse so, dass sie sie direkt im Alltag umsetzen können. Die Bücher der Wissenschaftsjournalistin standen bereits mehrfach auf den Amazon- und SPIEGEL-Bestsellerlisten und sind in acht Sprachen übersetzt. Sie sagt:
„Wenn wir Kinder gehirngerecht erziehen wollen, heißt ‚Konsequenz’, dass wir konsequent fragen: ‚Was kann mein Kind gerade leisten?’ Wenn das Kind einen guten Tag hat, dann bestehen wir auf unseren Regeln und es gibt keine Gummibärchen vor dem Mittagessen. Wenn das Kind einen schlechten Tag hat, müde, aufgebracht oder mit den Nerven einfach am Ende ist, dann ist sein Gehirn ohnehin nicht in der Lage, etwas zu lernen. Dann lockern wir die Regeln und lassen Fünfe gerade sein. Mal ehrlich: Wir machen das bei uns selbst auch so. Wenn wir gut drauf sind, ernähren wir uns gut, treiben Sport und lesen kluge Bücher. Wenn es uns schlecht geht, versacken wir mit einem Becher Eis vor dem Fernseher – und das ist menschlich. Wir müssen mit den Kindern nicht härter sein als mit uns selbst. Solange es die klar kommunizierte Ausnahme bleibt – ‚Ich entscheide jetzt, heute fangen wir mal mit dem Nachtisch an, das Essen dauert noch so lange und der lange Einkauf hat uns ganz schön gestresst’ – ist das okay.“
So bleibt die Ausnahme in der Erziehung auch eine
Erklären Sie Ihrem Kind, dass jetzt eine Ausnahme herrscht, und begründen Sie das möglichst auch. Zum Beispiel: „Ich merke, dass es dir nicht gut geht. Also darfst du bei mir bleiben. Wenn du wieder mutiger bist, schaffst du es bestimmt auch wieder, in deinem Bett einzuschlafen.“ Seien Sie ehrlich zu sich selbst, bevor Sie Ausnahmen erlauben – ist der wahre Grund vielleicht die eigene Bequemlichkeit? Entspricht die Ausnahme trotzdem den allgemeinen Werten Ihrer Familie?
In diesen Fällen besser erzieherisch konsequent bleiben!
Ist die Sicherheit gefährdet, sollten Regeln eingehalten werden. „Heute schnallen wir uns ausnahmsweise nicht im Auto an“, wäre eine schlechte Ausnahme. Auch, wenn teure Schäden entstehen oder Grenzen von jemand anderem überschritten werden, muss die Regel eingehalten werden.
„Erziehen ohne Schimpfen“
Schimpfen ist in vielen Familien ein fester Bestandteil der Erziehung. Tatsächlich kann Schimpfen aber unerwünschte Nebenwirkungen haben: Das Selbstwertgefühl der Kinder leidet, der Lerneffekt ist selten positiv und es belastet die Beziehung. Nicola Schmidt zeigt praktisch und anschaulich, wie es auch ohne Schimpfen geht. „Erziehen ohne Schimpfen“ von Nicola Schmidt, Gräfe & Unzer Verlag, 176 Seiten, 19,99 Euro.
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