Trockene, raue Haut, Rötungen, Entzündungen, Bläschen, ein quälender Juckreiz – Neurodermitis. Sie zählt zu den häufigsten chronischen Hauterkrankungen in Deutschland. Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) hat dagegen jetzt eine Tablette entwickelt: Der neue Wirkstoff wurde in einer klinischen Studie an 98 Betroffenen getestet. Ihre Haut verbesserte sich deutlich – ganz ohne Nebenwirkungen nach Angaben der Wissenschaftler.
Wirkstoff wirkt unabhängig von der Ursache
Neurodermitis hat unterschiedliche Ursachen. Dazu zählen hautreizende Stoffe, Allergene sowie mikrobielle, hormonelle und psychologische Einflüsse. Das Hannoveraner Team arbeitet bereits seit einigen Jahren an dem neuen Behandlungsansatz mit einem Histamin-4-Rezeptor-Blocker. Der Wirkstoff unterbricht, so die Experten, den Entzündungsprozess und lindert den Juckreiz. Denn durch den Blocker wirke der Botenstoff Histamin nicht an den entsprechenden Zellen. Im Zusammenhang mit der klinischen Studie „wurden keine Nebenwirkungen beobachtet, die auf die Gabe des Medikamentes zurückführbar waren“, heißt es in einer Mitteilung. „Wir gehen davon aus, dass der Histamin-4-Rezeptor-Blocker unabhängig von der Ursache der Neurodermitis wirkt und untersuchen derzeit, welche Patienten am stärksten von der neuen Therapie profitieren können“, sagt Professor Dr. Thomas Werfel, MHH-Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie.
Forschung seit 2000
Seit 2000 forschen er und seine Kollegen daran, denn damals wurde der notwendige Rezeptor entdeckt. Er lässt sich als Andockstelle einer Zelle beschreiben. Sobald Botenstoffe, Proteine oder Hormone den Rezeptor erreichen, lösen sie ein spezifisches Signal in der Zelle aus. Ein oft gewähltes Bild zur Verdeutlichung: Nur wenn Schlüssel (Botenstoff) und Schloss (Rezeptor) zusammenpassen, wird eine Reaktion hervorgerufen. Mit der Frage, inwiefern der Rezeptor bei entzündlichen Hautkrankheiten angewendet werden kann, damit hat sich das Team aus Hannover intensiv beschäftigt. „Labor- und In-vivo-Ergebnisse im Mausmodell, die wir seit 2005 kontinuierlich veröffentlichten, sprachen dafür, dass der Histamin-4-Rezeptor eine interessante Zielstruktur für die Behandlung der Neurodermitis ist“, berichtet Dr. Werfel.
Bisherige Behandlungsansätze
In den bisherigen Therapien spielen äußerlich anzuwendende Kortison-Verbindungen und Calcineurin-Inhibitoren eine zentrale Rolle. Schwere Formen der Neurodermitis wurden bislang mit dem Immunsuppressivum Cyclosporin behandelt, welches jedoch, so die Forscher, viele Nebenwirkungen hat. Mittlerweile wird auch der Antikörper Dupilumab eingesetzt, der die Botenstoffe der allergischen Entzündung gezielt hemmen soll. „Dupilumab stellt einen sehr großen Fortschritt in der Behandlung von schwer betroffenen Patienten dar, hilft aber nicht allen Patienten ausreichend gut. Zudem muss das Medikament gespritzt werden, was vor allem Kinder, die besonders häufig an Neurodermitis leiden, schwerer tolerieren werden“, erläutert Professor Werfel. Die Erkrankung betrifft nach Expertenangaben rund elf Prozent aller Mädchen und Jungen im Vorschulalter sowie ein bis zwei Prozent der Erwachsenen in Deutschland. Bei vielen ist die Erkrankung chronisch und verläuft schwer.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal für Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht. Aktuell startet unter Beteiligung des Teams aus Hannover eine größere internationale Studie mit rund 400 Patienten, um die optimale Dosierung des Histamin-4-Rezeptor-Blocker herauszufinden.
Patientenschulung bei Neurodermitis
Eine strukturierte Patientenschulung kann bei Neurodermitis hilfreich sein. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.