Dienstag, 16. April

Medizinisches Cannabis auf dem Prüfstand

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Ärzte können in Deutschland seit mehr als vier Jahren medizinisches Cannabis verschreiben. Die Präparate kommen hauptsächlich bei Schmerzpatienten zur Anwendung. Viele Behandelte vermelden positive Effekten. Wissenschaftliche Belege für die Wirkung fehlen allerdings noch.

Behandlung wird dokumentiert

Alle Mediziner, die ihren Patienten Cannabis verordnen, müssen die Behandlung per Gesetz dokumentieren. Im kommenden Jahr sollen alle Dokumentationen abschließend ausgewertet werden. Dann werden Mediziner, Politik und Krankenkassen über den weiteren Umgang mit dem Stoff beraten. Denn zugelassen ist er bisher nicht.

Patienten berichten von positivem Effekt

Rund 10.000 Patienten erhielten in den vergangenen fünf Jahren medizinisches Cannabis. „Etwa 70 Prozent von ihnen berichten über positive Effekte nach einem Jahr Behandlung – vor allem bei chronischen Schmerzen“, erklärte Dr. Frank Petzke, Sprecher der Kommission „Cannabis in der Medizin“ jetzt beim Deutschen Schmerzkongress.

Nachweis für Wirksamkeit fehlt

Abgesehen von den Aussagen der Patienten fehle bisher aber ein Nachweis der Wirksamkeit. Studien hätten sie bisher nicht nachweisen können, so Petzke. Darüber hinaus sei noch nicht klar, ob der Effekt längerfristig und sicher anhält und welche Folgen die Medikation für die Patienten auf Dauer hat. „Jeder, der sich derzeit mit Cannabis behandeln lässt, übernimmt selbst die Verantwortung. Es ist eine Art Selbstversuch“, fasst der Mediziner zusammen.

Cannabis im Wert von 90 Millionen Euro verschrieben

Allein im ersten Halbjahr 2021 ist in Deutschland medizinisches Cannabis im Wert von fast 90 Millionen Euro verschrieben worden. In den vergangenen vier Jahren ist dadurch ein wirtschaftlich interessanter Markt für zahlreiche Anbieter entstanden. Es gibt ein breites Spektrum an cannabinoid-haltigen Fertigarzneimitteln. Doch auch hohe Kosten für die Solidargemeinschaft, die durch Wirkung gerechtfertigt sein müssen.

Verschreibung nur in Ausnahmefällen

Aktuell können Ärzte spezielle cannabis-basierte Medikamente bei Formen von Epilepsie, Multipler Sklerose und nach Chemotherapien verordnen – wenn andere Mittel nicht anschlagen. Bei allen anderen Krankheitsbildern ist ein besonderes Antragsverfahren nötig. Nur wenn schwerwiegende Erkrankungen vorliegen und alle Standarttherapien ausgeschöpft sind, kann die Krankenkasse die Kosten übernehmen.

Kritische Auseinandersetzung mit Cannabis

2022 entscheidet sich, ob es weiter Cannabis auf Rezept geben wird. „Patienten mit schweren Erkrankungen und Schmerzen sowie deren Ärzte haben ein gut nachvollziehbares Interesse an einer Behandlungsoption mit Cannabis“, meint Petzke. Es sei aber eine kritische und rationale Auseinandersetzung mit Nutzen, Risiken und Kosten nötig.

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