90 Menschen erleiden in Deutschland einen Herzinfarkt – pro Tag. Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung sind es jedes Jahr über 300.000 Männer und Frauen. Innsbrucker Epidemiologen konnten in Zusammenarbeit mit der University of California San Diego nun zeigen, dass es einen zentralen Risikofaktor gibt: Lipoprotein(a), kurz Lp(a). Für sie ist es ein wichtiger Anstoß, um entsprechende Medikamente zu entwickeln.
Was ist Lipoprotein(a)?
Wenn wir essen oder trinken, nehmen wir Fette zu uns. Sie können allerdings nicht frei im Blut herumschwimmen, sondern sie werden in Form von kleinen Kügelchen durch die Lipoproteine navigiert. Lipoprotein(a) ist damit eins von vielen Eiweißen, die Fette durchs Blut transportieren, und gehört zu den Low Density Lipoproteinen (LDL). Sprich: Das Protein hat eine niedrige Dichte und wird als „böses“ Cholesterin bezeichnet. „Damit ist es maßgeblich mitverantwortlich für die Entwicklung der sogenannten Atherosklerose, die zu Verengungen und Verschlüssen der Arterien und in weiterer Folge u.a. zu Herzinfarkt und Schlaganfall führt. Lp(a) hat aber auch eine schlechte Auswirkung auf das Blutgerinnungssystem und fördert das Auftreten von Gefäßverschlüssen durch Blutverklebung (Thrombose)“, skizziert Prof. Dr. Herbert Laimer vom Österreichischen Herzverband. Der Lp(a)-Normalwert liegt je nach Bestimmungsmethode bei < 30 mg/dl bzw. < 75nmol/l.
Daten von 29.000 Patienten analysiert
Um die LDL-Cholesterin-Werte bei Patienten mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, wird nach Angaben der Innsbrucker Epidemiologen auf Statin-Medikamente gesetzt. Allerdings bleibe ein Restrisiko – Lipoprotein(a) trägt ganz entscheidend dazu bei. „Der Start einer Statintherapie reduzierte erwartungsgemäß die LDL-Cholesterinwerte, jedoch ohne Änderung der Lp(a)-Konzentration. Das errechnete kardiovaskuläre Restrisiko stieg mit der Höhe des Lp(a)-Spiegels nahezu linear an, sodass jene Gruppe mit einem Lp(a)-Spiegel von über 50 mg/dl das höchste Erkrankungsrisiko aufwies“, so Hauptautor Peter Willeit von der Medizinischen Universität Innsbruck in einer Mitteilung. Dieser Zusammenhang wurde unter Statin-Behandlung sogar noch stärker sichtbar: „Ist das LDL-Cholesterin einmal gesenkt, dann wird der Lp(a)-Spiegel für die Vorhersage des kardiovaskulären Restrisikos noch wichtiger“, erklärt er.
Für die „Lipoprotein(a) Study Collaboration (LPASC)“ wertete das Forscher-Team individuelle Daten von 29.000 Patienten aus, sieben große randomisierten Placebo kontrollierte Statin-Studien eingeschlossen. Die Wissenschaftler analysierten, inwiefern kardiovaskuläre Ereignisse in Abhängigkeit vom Lp(a)-Spiegel auftraten.
Ansatz für die Medikamenten-Forschung
Dass Lp(a) als Messwert für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielt, haben frühere Studien bereits aufgezeigt. Allerdings wird mit der aktuellen Analyse die statistische Aussagekraft enorm erhöht, sodass Lp(a) zu einem wichtigen Angriffsziel für die Medikamentenforschung wird. „Immerhin lässt sich bei 20 Prozent der Bevölkerung eine erhöhte Konzentration von Lp(a) und damit ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nachweisen“, weiß Florian Kronenberg, Mitautor der neuen Metastudie und Leiter der Innsbrucker Sektion für Genetische Epidemiologie der Medizin Uni Innsbruck, wo bereits seit mehr als 30 Jahren zu Lp(a) geforscht wird.
Die Studie wurde im Fachjournal The Lancet veröffentlicht.
Was ist bei einem hohen Lp(a)-Spiegel zu tun?
Prof. Dr. Herbert Laimer schreibt dazu: „Wichtig ist, dass man alle eventuell zusätzlich bestehenden Risikofaktoren gut im Griff hat. Verzicht aufs Rauchen, Optimierung des LDL-Cholesterins (bei bereits bestehender Gefäßerkrankung auf weniger als 70 mg/dl!), exakte Einstellung von Zuckerkrankheit und Bluthochdruck. Da erhöhtes Lp(a) vererbt wird, sollte der Wert auch bei den Blutsverwandten der Betroffenen, vor allem bei den Kindern und Geschwistern bestimmt werden.“