Montag, 16. September

Wenn Alltagsgeräusche zur Qual werden

Misophonie: selektive Geräuschintoleranz

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Tickende Uhren, klappernde Absätze, kauende Tischnachbarn – bei Menschen mit Misophonie können Geräusche, die andere Personen als ganz normal empfinden, heftige emotionale und körperliche Reaktionen auslösen. Wie man das Problem erkennt und was man dagegen tun kann.

„Sei doch nicht so empfindlich.“

Wer unter Misophonie leidet, hat diesen Satz vermutlich bereits mehr als einmal in seinem Leben gehört. Die Betroffenen reagieren reflexartig auf bestimmte alltägliche Geräusche – unabhängig von deren Lautstärke – mit intensiven negativen Gefühlen wie Ekel, Ärger oder sogar Hass. Daneben können auch körperliche Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder Atemnot die selektive Geräuschintoleranz begleiten. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Auslösern um Geräusche, die von anderen Menschen erzeugt werden. Beispiele hierfür sind Ess- oder Atemgeräusche, das Tippen auf einer Tastatur oder das Klicken von Kugelschreibern. Aber auch Tier- oder Maschinengeräusche kommen als Trigger in Frage.

Nicht in die Irre führen lassen

Eine Misophonie kann sich grundsätzlich in jedem Alter entwickeln. Typischerweise beginnt sie allerdings bereits in der Kindheit (8.-13. Lebensjahr). Bei Verdacht auf eine Misophonie empfiehlt es sich, zunächst die Hausarztpraxis aufzusuchen. Weiterhin kann das Hinzuziehen von Fachärztinnen und -ärzten, zum Beispiel aus dem Bereich der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder Psychiatrie, sinnvoll sein. Da die Misophonie jedoch selbst in Fachkreisen wenig geläufig ist und es sich um keine offiziell anerkannte Erkrankung mit eigenem Diagnoseschlüssel handelt, sind Fehlinterpretationen häufig. So werden die Beschwerden teilweise auf Erkrankungen der Hörorgane (z. B. Tinnitus), eine Aufmerksamkeitsdefizits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus, eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere psychische Krankheiten zurückgeführt.

Konfrontationstherapie bei Misophonie eher ungünstig

Folgenschwer ist dabei insbesondere die Verwechslung mit einer Angst- oder Zwangsstörung. Während bei diesen Erkrankungen oft eine bewusste Konfrontation mit den Auslösern empfohlen wird (Expositionsverfahren), kann sich eine Misophonie durch die übermäßige Aussetzung gegenüber Trigger-Geräuschen unter Umständen sogar noch verschlimmern.

Welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt

Bislang gibt es keine medikamentöse Therapie zur gezielten Behandlung einer Misophonie. Tritt die selektive Geräuschintoleranz jedoch begleitend zu einer psychischen Störung auf, wirken sich entsprechende Medikamente (z. B. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) möglicherweise auch positiv auf die Misophonie aus. Eine wirksame Methode zur Behandlung von Misophonie scheint die Kognitive Verhaltenstherapie zu sein. Dabei lernen die Teilnehmenden, ihre Reaktionen auf die auslösenden Geräusche neu zu bewerten, negative Gedanken- sowie Verhaltensmuster aufzulösen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Sanfte Gewöhnung

Darüber hinaus gibt es weitere neuromodulatorische Ansätze, mit denen sich vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Misophonie erzielen lassen. Als Beispiel sei hier die Neural-Repatterning-Technique genannt. Ihr Ablauf lässt sich mit einer Hyposensibilisierung bei Allergien vergleichen. Die Betroffenen werden regelmäßig einem abgeschwächten Trigger (hier: Geräusch in kaum hörbarer Lautstärke) ausgesetzt, bis sie sich daran gewöhnen. Indem positive Rahmenbedingungen geschaffen werden (z. B. Lieblingsmusik, Gespräch über schöne Erinnerungen), kommt es außerdem zu einer Gegenkonditionierung.

Misophonie: Was man selbst tun kann

Oft hilft es Menschen mit Misophonie, ihr Problem anzusprechen. Nur eine offene Kommunikation ermöglicht es dem Umfeld, Rücksicht zu nehmen. Wenn man erklärt, dass die Reaktion nichts mit dem Gegenüber zu tun hat, lassen sich außerdem Konflikte vermeiden. Die Wortwahl ist dabei entscheidend. Statt zu sagen „Ich hasse es, wenn Du so schnaufst“, empfehlen sich Formulierungen wie „Dieses Geräusch ist ein Trigger für mich.“ Wenn man keine Möglichkeit hat, dem Trigger-Geräusch aus dem Weg zu gehen, bieten sich Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung an. Zusätzlich gibt es Apps, die ein weißes Rauschen erzeugen. Durch die konstante Lautstärke und den breiten Frequenzbereich lassen sich Trigger-Geräusche noch effektiver übertönen.

Empfehlenswert: Progressive Muskelentspannung

Da sich die Beschwerden einer Misophonie unter Stress in der Regel verschlimmern, profitieren viele Betroffene außerdem von Entspannungsmethoden. Besonders bewährt hat sich dabei die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.

Weitere Informationen und Tipps zum Umgang mit Misophonie finden sich auf: misophonie.de.

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