Plötzlich dreht sich alles, der Boden schwankt, ein Sog zieht in die Tiefe: Schwindel. Obwohl die Symptome oft angsteinflößend sind, sind die meisten Formen laut Deutschem Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte gut behandelbar. Die Erkrankung könne jedoch auch komplizierte Formen annehmen, erklärt Prof. Dr. Leif Erik Walther. In diesen Fällen sei der Gang zu einem spezialisierten HNO-Arzt unumgänglich, so der HNO-Experte aus Sulzbach im Taunus. Er erklärt, welche Arten von Schwindel es gibt und was sich dagegen tun lässt.
So entsteht Schwindel
Schwindel ist ein vieldeutiges Symptom, das unterschiedliche Ursachen haben kann. Die meisten Störungen finden sich im Innenohr, genauer im Gleichgewichtsorgan. Dieses besteht aus komplizierten Sensoren, die Augen- und Körpermuskeln ansteuern. Kommt es hier zu Störungen, treten Schwindelsymptome auf, erklärt Walther.
Lagerungsschwindel
„Die weitaus häufigste Störung im Innenohr ist der gutartige Lagerungsschwindel. Diese Erkrankung tritt auf, wenn Kopf- und Körperposition geändert werden, zum Beispiel beim Aufstehen oder Hinlegen oder unbewusstem Drehen im Bett. Daher erleben die meisten Patienten diese Form des Schwindels plötzlich in der Nacht“, weiß der HNO-Arzt aus dem Taunus. In der Regel bestehe dann jedoch kein Anlass zur Sorge, fährt der HNO-Arzt fort: „Die Erkrankung ist absolut gutartig und lässt sich gut behandeln. Ursache ist eine harmlose Ablösung von Ohrsteinchen, sogenannten Otokonien.“ Die Erkrankung könne jedoch auch komplizierte Formen annehmen, warnt der HNO-Experte. „In diesen Fällen sollte auf jeden Fall ein HNO-Arzt aufgesucht werden, der in der Lage ist, eine spezielle Diagnostik durchzuführen und eine Therapie zu empfehlen.“
Morbus Menière
Darüber hinaus könne Schwindel von einer Störung des Gehörs und Ohrgeräuschen begleitet werden. Da mehrere Erkrankungen in Frage kommen können, sollte in solchen Fällen ebenfalls unbedingt ein HNO-Arzt aufgesucht werden, hebt Walther hervor. Möglich sei ein Morbus Menière, eine attackenartig auftretende chronische Störung der Innenohrfunktion oder ein Akustikusneurinom, ein langsam wachsender gutartiger Tumor des Hörnervs.
Walther: „Mit moderner Diagnostik können wir auch in solchen Fällen relativ sicher abklären, woher die Beschwerden kommen. Außerdem stehen uns neue Behandlungsmethoden zur Verfügung. Beim Morbus Menière hat man früher viel häufiger zu Behandlungsmethoden gegriffen, die das Innenohr irreversibel zerstören konnten. Heute sind wir in der Lage, durch eine hochdosierte Gabe von Kortison in das Mittelohr über einen kleinen Eingriff, die Erkrankung deutlich zu lindern oder den Verlauf hinauszuzögern.“
Funktioneller Schwindel: Ausdruck von Angststörungen und Depression
Mit dem funktionellen Schwindel habe in den letzten Jahren eine weitere Form der Erkrankung in der Praxis zugenommen, berichtet der niedergelassene HNO-Arzt. Schwindel sei dann oft nur ein erstes Symptom, beispielsweise bei Angststörungen und depressiven Erkrankungen. „Hier ist ein zügiges Handeln notwendig, da sich solche Erkrankungen häufig nur frühzeitig vollständig behandeln lassen, ehe sie chronifizieren“, rät Walther. Schwindelsyndrome können hier zum Beispiel aus Konfliktsituationen, wie Verlusterlebnissen, familiären oder beruflichen Belastungssituationen, hervorgehen.
Schwindel – unerwünschte Medikamenten-Nebenwirkung
Oft trete Schwindel auch als unerwünschte Nebenwirkung von Medikamenten auf. „Schwindel und Stürze werden besonders häufig bei der Einnahme von blutdrucksenkenden Mitteln und Psychopharmaka beschrieben, so Walther. Auch hier sei eine frühzeitige Abklärung beim HNO-Arzt sinnvoll. „Die Gabe von Medikamenten ohne eine vorherige Diagnostik, also ohne die Suche nach der Ursache, ist nicht sinnvoll. Sie kann im Gegenteil dazu führen, dass Patienten Folgeerkrankungen, wie Stürze, erleiden, die dann gravierende Folgen haben können.“
Über das Thema diskutierten Fachärzte aus ganz Deutschland während des 52. Kongresses für Hals-Nasen-Ohrenärzte.