Dienstag, 14. Januar

Kriesen, Kriege, Katastrophen

Darf man trotzdem fröhlich sein?

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Der Krieg in der Ukraine, der Nahost-Konflikt, Terroranschläge und Messerattacken, der wirtschaftliche Abschwung in Deutschland, die Wohnungsnot, die steigenden Preise, einstürzende Brücken, Hass und Hetze in den sozialen Medien und natürlich die Klimakrise sowie die Naturkatastrophen, die immer schneller und heftiger aufeinander folgen – die Liste der Negativmeldungen, die uns die Nachrichtensendungen täglich in unsere Wohnzimmer bringen, ließe sich noch lange fortsetzen. Was bei uns vor allem hängen bleibt: Es ist alles ganz schlimm, und es wird immer noch schlimmer. Die Welt, so scheint es, befindet sich in einem schlechten Zustand. Dennoch geht es den meisten Menschen hierzulande gut. Sie kennen das Leid und Elend nur aus dem Fernsehen oder aus dem Internet. Aber sie fragen sich: Dürfen wir angesichts des vielen Leids und Elends überhaupt fröhlich und gut gelaunt sein? Und wenn ja, wie schaffen wir das? 

Wie schlechte Nachrichten unsere Stimmung beeinflussen

Es ist doch völlig klar: Irgendwann schlagen einem die nicht enden wollenden Negativmeldungen aufs Gemüt. Wenn ich nur noch schlechte Nachrichten höre oder lese, sagt die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner von der FH Münster, dann empfinde ich das so, dass alles nur noch negativ ist. Das hat Auswirkungen auf mein seelisches und körperliches Befinden. Wir werden nicht nur immer trübsinniger, missgelaunter und pessimistischer, sondern entwickeln daraus resultierend auch handfeste körperliche Krankheiten.

Das Vertrackte daran: Dass wir auf schlechte Nachrichten so heftig reagieren – viel stärker als auf positive – ist ein Erbe unserer Evolution und eigentlich ein Schutzmechanismus. Fachleute sprechen hier vom „Negativitätsbias“ (auch „Negativitätsverzerrung“ oder „Negativitätseffekt“).

Die Flut schlechter Nachrichten als Dauerstress

Das Problem heutzutage ist die massive Häufigkeit der schlechten Nachrichten. Dadurch stehen wir unter Dauerstress, Dauerangst, Dauersorge. Der Negativitätsbias sorgt ohnehin schon dafür, dass wir das Vorhandensein von Negativem überschätzen. Die heutige permanente Bombardierung mit schlechten Nachrichten bewirkt, dass unser Weltbild viel negativer wird, als die Welt tatsächlich ist.

Wie schon oben beschrieben: Was haften bleibt, ist der Eindruck, dass alles ganz schlimm ist und immer schlimmer wird. Diesem Gesamteindruck steht entgegen, dass es den meisten Menschen in Deutschland gut geht. Die Krisen in der Welt – ja, sie sind da – betreffen einen nur mittelbar, wenn überhaupt. Doch viele haben ein schlechtes Gewissen. Sie fragen sich: Bei allen Katastrophen, bei allem Leid und Elend auf der Welt, darf ich da eigentlich fröhlich und gut gelaunt sein? Muss ich nicht allein aus Gründen der Solidarität bedrückt und niedergeschlagen sein? „Nein“, sagt Constantin Schreiber. Der Journalist und „Tagesschau“-Sprecher kennt sie alle, die schlechten Nachrichten, denn sein Beruf ist es, sie uns zu überbringen. Und er steht naturgemäß selbst vor der Herausforderung, wie er mit dieser Fülle von Negativmeldungen umgehen soll, damit sie ihn nicht komplett herunterziehen.

In seinem lesenswerten Buch „Glück im Unglück. Wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“ (Hoffmann und Campe, 22 Euro), beschreibt er seinen ganz persönlichen Weg, trotz allem fröhlich zu bleiben und das Leben zu genießen. Dabei hilft ihm zum einen seine Liebe zur Musik. „Wenn ich gefragt werde: Wie hälst du diese schlechten Nachrichten nur die ganze Zeit aus?´, antworte ich: Mit meinem Klavier. Ich spiele dagegen an“, schreibt er. Er schafft damit einen Ausgleich, setzt der Negativität etwas Positives entgegen.

Diese Strategie, sich von den schlechten Nachrichten nicht überwältigen zu lassen, empfehlen auch Wissenschaftler wie die Psychologin Dr. Isabella Helmreich vom Leibnitz-Institut für Resilienzforschung in Mainz: „Es ist erlaubt sich zu freuen. Auch wenn schlimme Dinge in der Welt passieren, nützt es nichts, wenn ich mich mit der Stimmung total nach unten ziehe, sondern ich sollte den Fokus auf das Positive richten.“ So empfiehlt sie als konkrete Maßnahme gegen den Negativitätsbias, dass man sich zum Beispiel am Abend hinsetzt und die schönen Momente, die man am Tag erlebt hat, aufschreibt.

Medien-Profi Constantin Schreiber hat für sich noch eine weitere Denkhaltung gefunden, um resilient gegen die Krisen in der Welt zu sein. Er habe zu akzeptieren gelernt, „dass sich unsere Gesellschaft und die Welt in Schieflage befindet – und dass ich es gerade nicht ändern kann. Die Dinge sind, wie sie sind. Das heißt nicht, jeden Antrieb, Dinge zum Besseren zu wenden, abzulegen und sich in passive Resignation zurückzuziehen. Aber sich dennoch bewusst sein, dass die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind. Und dass Dinge – gut wie schlechte – nun einmal passieren, ob man will oder nicht.“ Schreiber nennt das die „Akzeptanz der Gegebenheiten“.

Tipps zum Umgang mit der Nachrichtenflut 

Wer will, kann sich 24 Stunden am Tag schlechte Nachrichten und negative Berichte im Internet und TV ansehen. Manche tun dies. Man spricht dann von „Doomscrolling“. Doomscrolling betreiben Personen, die in einer Dauerschleife Katastrophenmeldungen konsumieren. Dass sich dieses Vorgehen eher früh als spät negativ auf das eigene Befinden auswirkt, lässt sich unschwer denken. 

Das andere Extrem besteht darin, komplett auf Nachrichten zu verzichten. Auch dafür gibt es inzwischen einen Namen: „News-Fatigue“, also Nachrichtenerschöpfung. Dieses Ignorieren und Verdrängen kann tatsächlich kurzfristig funktionieren, ist aber sicherlich keine dauerhafte Lösung. Wissenschaftler wie Dr. Isabella Helmreich vom Leibnitz-Institut für Resilienzforschung in Mainz empfehlen, maximal zwei Mal pro Tag Nachrichten aufzunehmen, am besten aber nicht gleich morgens, um nicht sofort mit einem schlechten Gefühl in den Tag zu starten, und auch nicht direkt vorm Zubettgehen, um nicht Ängste und Sorgen mit in den Schlaf zu nehmen. 

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