Jetzt, zu Beginn des Winters, stellt sich wie jedes Jahr die Frage: Wie kommt man am besten durch die kalte Jahreszeit? Die Grippeschutzimpfung ist sicher eine gute Vorbeugemaßnahme. Auch eine gesunde und vitaminreiche Ernährung, ausreichend Schlaf und wenig Stress sind ein probater Schutz gegen Infektionskrankheiten. Aber man kann noch mehr tun: Man kann dem Winter im wahrsten Sinne des Wortes die kalte Schulter zeigen. Ein Plädoyer für ein vergessenes Selbstschutzprogramm: Abhärtung!
Aus dem wilden Naturmenschen wurde ein Hausmensch
Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz nannte es die „Selbstdomestikation“ oder auch die „Verhausschweinung“ des Menschen. Wie aus dem Wildschwein das Hausschwein, so ist aus dem ehemaligen wilden Naturmenschen im Laufe der Zeit ein Hausmensch mit Klimaanlage, Zentralheizung und weichem Kopfkissen geworden. Oder anders gesagt: Die Jäger und Sammler haben sichzu Weicheiern und Warmduschern entwickelt. Vor allem die industrielle Revolution und der technologische Fortschritt haben unser Leben immer bequemer gemacht, uns gleichzeitig aber auch immer weiter von unseren biologischen Wurzeln entfernt. Die Folge sind Zivilisationskrankheiten, eine weltweite Verfettung sowie insgesamt eine Verweichlichung der Menschen.
Abhärtung für mehr Widerstandskraft
Viele Menschen – vor allem in der westlichen Welt – achten heute zwar häufiger auf ihre Ernährung und treiben Sport. Das ist gut, aber nicht genug. Was komplett untergegangen ist, ist das, was uns unsere Mütter damals immer gepredigt haben: die Abhärtung! Bestes Beispiel: kalt duschen. Klar, kalt duschen ist unangenehm, also warum sollte man es tun? Ganz einfach: um sich abzuhärten und somit den widrigen Witterungsbedingungen vor allem im Herbst und Winter besser standhalten zu können. Abhärtung ist etwas, was viele von uns überhaupt nicht mehr auf dem Schirm haben. Dafür bezahlen wir – mit Krankheiten.
„Der moderne Mensch ist fett, faul und krank“
„Der mühelose Komfort hat uns fett, faul und krank gemacht.“ Das sagt der amerikanische Journalist und Anthropologe Scott Carney in seinem Buch „Extrem gesund“. Er selbst war dafür das beste Beispiel: übergewichtig, kurzatmig, kraftlos und andauernd an irgendwelchen Infektionskrankheiten leidend. Bis es ihm eines Tages reichte und er erfolgreich an einem Programm teilnahm, um sich wieder stark und widerstandsfähig gegen widrige Naturbedingungen zu machen. Eines der Kernelemente dieses Programms waren Eisbäder und Dauerläufe durch den Winter, nur mit Schuhen und einer Badehose bekleidet.
Raus aus der Komfortzone
Nun muss man es nicht gleich übertreiben, aber wer sich wirklich dazu entschlossen hat, gesundheitlich besser durch den Winter kommen, der muss raus aus seiner Komfortzone und seinem Körper Reizen aussetzen, die dieser erst einmal als unangenehm empfindet. Diese Erfahrung hat auch André Wiersig aus Paderborn gemacht. Wiersig ist Extremschwimmer und der erste Deutsche, der die Ocean’s Seven gemeistert hat, die größte Herausforderung im Langstreckenschwimmen.
Baden in der Eistonne – zur Abhärtung
Um sich an die Kälte des Ozeans zu gewöhnen, folgte Wiersig über Monate einem Programm, das aus kalten Duschen und dem Baden in einer Eistonne bestand, in der er bei einer Wassertemperatur von knapp über Null Grad bis zu einer halben Stunde aushielt.
Auch im Winter in den geliebten Badesee
Es gibt auch ganz normale Menschen aus unserer Nachbarschaft, die noch im Herbst und sogar im Winter in ihren geliebten Badesee steigen. Das sind dann oft zwar nur ein paar Minuten, aber sie hüpfen erfrischt und vitalisiert aus dem See wieder heraus und schwören darauf, dass dieses Winterbaden ihnen hilft, ohne lästige Erkältungskrankheiten durch die kalte Jahreszeit zu kommen.
Wecken Sie den Naturmenschen in sich wieder zum Leben!
Raus aus der Komfortzone ist also das Stichwort. Und das bedeutet in puncto Abhärtung: An kaltem Wasser führt kein Weg vorbei. Das heißt aber nicht, dass Sie ab morgen nur noch eiskalt duschen dürfen oder wie André Wiersig nur noch in der kalten Badewanne mit den Zähnen klappern müssen. Man sollte sich langsam an die niedrigeren Temperaturen gewöhnen, und das geht immer am besten, wenn man erst die Beine und die Arme unter den zunächst lauwarmen, dann immer ein bisschen kälteren Wasserstrahl hält. Bis Sie sich mit kaltem Wasser die Haare waschen – wenn Sie dies denn möchten – vergehen leicht ein paar Wochen oder auch Monate.
Heiß-Kalt-Anwendungen gegen Krankheiten
Dass kaltes Wasser für unsere Gesundheit von Segen ist, ist ja keine neue Entdeckung. Schon im 19. Jahrhundert entwickelte der Priester und Naturheilkundler Sebastian Kneipp seine Kaltwassertherapie gegen allerlei Krankheiten wie Tuberkulose, unter der er selbst gelitten hatte. Seine Bücher „Die Wasserkur“ und „So sollt ihr leben“ wurden zu Bestsellern, und seine „Kneipp-Kur“, insbesondere das Wassertreten, haben noch heute viele Anhänger. Inzwischen sind seine Therapien weiterentwickelt worden, insbesondere ist die positive Wirkung von Heiß-Kalt-Anwendungen entdeckt worden. Vor allem die Erfindung der Sauna mit anschließenden kalten Bädern oder das abwechselnde Heiß-Kalt-Abduschen gilt als gutes Mittel zur Abhärtung.
Eine bessere Thermoregulation durch Abhärtung
Zwar ist wissenschaftlich nicht belegt, dass Saunabesuche, Wechselduschen, Barfußlaufen im Freien auch bei kühler Witterung, Winterbaden und Kaltwasseranwendungen das Immunsystem stärken, dass dadurch aber die körpereigene Thermoregulierung positiv beeinflusst wird, gilt als sicher. „Wer regelmäßig in die Sauna geht oder Kaltwasserbäder nimmt, bekommt eine bessere Thermoregulation“, sagt Prof. Dr. Karsten Krüger, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft an der Uni Gießen. Als weitere nennenswerte Effekte der Abhärtungsmaßnahmen gelten unter anderem eine Verbesserung der Schleimhautdurchblutung im Nasen-Rachen-Raum sowie der Akren (also der Hände, Finger, Füße, Zehen, Nase, Ohren, Kinn).
Abhärtung – die besten Tipps auf einen Blick
- Regelmäßiger Saunabesuch (mit Kaltreizen!), ein bis zwei Mal in der Woche
- Morgendliches kaltes Duschen
- Wassertreten, kalte Güsse oder Wechselbäder für die Unterschenkel (einschließlich solcher Varianten wie Tautreten)
- Winterschwimmen 1-mal/Woche
- Dosiertes körperliches Ausdauertraining bei JEDEM Wetter
Bei der Auswahl beziehungsweise der Empfehlung der Methoden sollten stets Alter, Konstitution und Gesundheitszustand beachtet werden. Am besten lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt beraten.
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